Apfelblüte aus Glas von Leopold und Rudolf Blaschka
Eine Dynastie, im Dienste der Rose.
Auch unter den bekannten und berühmten Gärtnern gibt es Ausnahmeerscheinungen. Menschen, die ihr ganzes Leben ihrer Leidenschaft widmen. Die ehrenwerte Familie Meilland gehört dazu. Ohne sie sähe die Rosenzucht heute anders aus. Aber erzählen wir die Geschichte von Anfang an: In Lyon lebte ein guter Mann namens Antoine Meilland (1884 – 1971). Monsieur Meilland arbeitete als einfacher Gärtner im Betrieb des weltberühmten Lyoner Rosenzüchters Francis Dubreuil. Schon damals war der Arbeitsplatz die beste Heiratsbörse. Antoine verliebte sich in Claudia, die Tochter des Chefs, und heiratete sie. Voilà, die erste perfekte Rosenehe war geschlossen. Die Meillands bekamen einen Sohn. Sie nannten ihn „Francis“, und von diesem Francis Meilland wollen wir heute erzählen.

Monsieur Antoine Meilland, seine Frau Claudia und der kleine Francis – Rosenzüchter in spe.

Einer der 3 Rosengärten im Lyoner „Parc de la Tête d’Or“
Rosenwasser floss durch die Adern des kleinen Francis. Das Kind war so fasziniert von der Schönheit der Rosen, dass es gegen den Willen seiner Eltern die Schule abbrach, um mit seinem Vater in der Rosenzucht zu arbeiten. Lyon war damals das Zentrum der internationalen Rosenzucht. Die Namen der damaligen Lyoner Rosenzüchter klingen noch heute nach: Francis Dubreuil, Charles Mallerin, Claude Ducher, Jean Baptiste Guillot… Achten Sie darauf, wenn Sie das nächste Mal Rosen kaufen, Sie werden immer wieder auf Rosen dieser Züchter stoßen.
Aber zurück zum kleinen Francis. Er arbeitete mit seinem Vater im berühmten (auch heute noch sehr, sehr sehenswerten!) Lyoner Stadtpark „Parc de la Tête d’Or“ mit seinen unglaublichen Rosengärten. Und eines Tages hatte er die Aufgabe, im Park ein neues Rosenbeet anzulegen mit der wunderschöne Rose „Mme Pierre S. du Pont“ des ebenfalls in Lyon ansässigen Züchters Charles Mallerin. Eine zauberhafte warmgelbe Teehybride, die im Laufe der Blüte immer heller und blasser wird. Gelb war damals (anders als heute) der sehr en mode. Francis war von der wunderschönen Mme du Pont derart begeistert, dass er auf der Stelle beschloss sein Leben von nun an mit Haut und Haar der Zucht neuer Rosensorten zu widmen.
Aber wer erfolgreich werden will, muß vorher erfolgreichen Menschen über die Schulter schauen. Francis Meilland machte sich auf zu langen Reisen. Erst, zusammen mit seinem Vater, nach Antibes, um den damals sehr bekannten Rosenzüchter Francesco Giacomo Paolino zu treffen. Eine schicksalhafter Besuch, wie sich rausstellen sollte, denn hier verknallte sich der kleine Francis in die Tochter von Herrn Paolino. Kein Wunder, denn Marie-Louise, genannt „Louisette“ war nicht nur hübsch sondern auch eine „Rosinista“. Seit ihrem 15 Lebensjahr züchtete Louisette Rosen. Was soll ich sagen: die zweite Rosenehe war geschlossen.
Tinder würde sagen: a perfect Match!

Die Tee-Hybride „Madame Pierre S. du Pont“ beginnt ihre Blüte in einem warmen Orangegelb und wird mit der Zeit hellgelb. Duftend.
„Madame Pierre S. du Pont“ – dies ist die Rose, die Francis Meilland zum Rosenzüchter machte. Benannt zu Ehren von Alice Belin, der Frau von Pierre Samuel du Pont. Er stammte aus der Industriellen Familie du Pont, denen eines der größten Chemieunternehmen der USA gehörte. Die du Ponts waren Philantrophen. Auf ihrem Anwesen „Longwood Gardens“ hatten sie Rosengärten, Springbrunnen und Pflanzungen aus aller Welt, die sie auch der Öffentlichkeit zugänglich machten. Der Altersunterschied zwischen beiden war beträchtlich und es wurde getuschelt, denn Alice war Samuels Cousine (wenn auch 2. Grades).

Pierre Samuel du Pont und seine Frau Alice Belin
Francis reiste weiter. Er wagte den großen Sprung über das Meer und fuhr über 20.000 km kreuz und quer durch Amerika. Er traf Rosenhändler, Leute, die Werbung für Rosen machten, und jede Menge Rosenzüchter. Als er nach Frankreich zurückkehrte, war er bis zu den Ohren voll von neuen Rosenideen. Er war der erste in Europa, der den Kunden seine Rosenzüchtungen mit Fotos in einem farbig (!) gedruckten Katalog anbot. Er erfand die Lagerung von Rosen in Kühlräumen um sie länger haltbar zu machen. Er kämpfte für das Urheberrecht auf Rosenzüchtungen. Und er züchtete unermüdlich Rosensorten über Rosensorten.
Die Rose, deren Namen auf ewig mit Francis Meilland verbunden sein wird, ist die umwerfend schöne, duftende, robuste und wirklich weit verbreitete Rose „Mme A. Meilland“. Von Francis gezüchtet im Jahr 1942 (eine Kreuzung auf Basis von Sämlingen vorwiegend amerikanischer Rosen) und benannt nach seiner verstorbenen Mutter. Die Rose ist wirklich bezaubernd. Die Blüte beginnt in einem satten Rosa/Gelb und wird im Laufe der Blüte zart Hellgelb. Der Blütenkopf ist prall gefüllt und verströmt einen weichen Duft.
Das Jahr 1942 war kein segensreiches Jahr. Der Europäische Kontinent steckte mitten im Zweiten Weltkrieg. Rosen waren in der Skala der wichtigen Dinge ziemlich weit nach unten gerutscht. Aber in Lyon hielt man die Tradition hoch und so wurde die Rose „Mme A. Meilland“ bei dem 1942 dort stattfindenden Concours International de Roses Nouvelles mit einer glänzenden Goldmedaille und dem Prädikat „Schönste Rose Frankreichs“ geehrt.

Das ist „Mme A. Meilland“ auch „Peace“, „Gloria Dei“ oder „Gioia“ genannt. Ihre Blüte beginnt Rosa/Gelb und wird dann zu einem hübschen Hellgelb. Duftend.

Francis Meilland war stolz. Und schickte Ableger dieser Rose an alle seine Rosenzüchterfreunde rund um den Globus. Deutsche, englische, italienische, amerikanische. Ob auf dem Schlachtfeld des 2. Weltkrieges Freund oder Feind – vollkommen egal. Sein amerikanischer Züchterfreund Robert Pyle war von dieser Geste so bewegt, dass er die Rose kurzerhand in „Peace“ umtaufte. Die Rose Mme. A. Meilland wurde unter ihrem neuen Namen zu einem Symbol für den Frieden. Zur ersten Versammlung der UNO im Mai 1945 in San Francisco erhielt jeder Teilnehmer ein Rose „Peace“ als Symbol für den nun aufziehenden (hoffentlich) ewigen Frieden auf Erden.
Die deutschen Züchterfreunde von Meilland tauften die Rose „Gloria Dei“ (Ehre Gottes), die italienischen „Gioia“ (Freude).
Ob nun Frieden oder Freude, die Rose „Mme A. Meilland“ alias „Peace“ alias „Gloria Dei“ alias „Gioia“ wird bis heute im Handel angeboten und ist die Basis für unzählige Neuzüchtungen. Sie wurde bis heute mehr als 100 Millionen mal verkauft und wurde 1976 von der Weltrosenvereinigung zur „Weltrose“ gekürt.
Das Rosenzuchtunternehmen von Francis Meilland gibt es bis heute. Nach dem Krieg verlegte Meilland seine Rosenzucht nach Antibes, vermutlich hatte seine Frau Louisette Heimweh. In Antibes züchtete er einen weiteren Diamanten der Rosengeschichte: die tiefrote Rose „Baccara“. Das Synomym für rote Rosen schlechthin. Bis heute das Symbol für brennende Liebe und Leidenschaft. Seinen Betrieb in Lyon fusionierte er mit dem Lyoneser Rosenzüchter Richardier zu der ebenfalls bis heute bestehenden Rosenzucht „Roseraies Meilland Richardier“. Francis Meilland starb mit nur 46 Jahren am 15. Juni 1958 in Antibes. Bestattet wurde er auf dem Friedhof in Antibes unter einem Meer von Rosen.
Meilland International wird bis heute, nun in der sechsten Generation, von Mitgliedern der Familie Meilland geleitet und ist nach wie vor eine excellente Adresse für Rosen aller Art.



Auch die Rote „Baccara“ von Meilland ist zur Weltrose gekührt worden. Es gibt sie heute in vielen unterschiedlichen Züchtungen: in hellerem oder dunklerem Rot, in nahezu schwarzem Rot. Edel sind sie alle.