Ich hatte einmal eine Tante – eine wirklich nette – sie war eine großartige Köchin und schwor darauf, beim Rinderbraten immer vorne und hinten ein kleines Stück abzuschneiden bevor es in den Schmortopf kam. Sie war der Meinung, der Braten würde dann einfach besser – das hätte schon ihre Großmutter so gemacht. Die Logiker in der Familie fingen an zu zweifeln und Nachforschungen in den Tiefen der Familie ergaben schließlich, dass der Schmortopf der Großmutter einfach nur sehr klein war und der Braten deswegen oft eingekürzt werden mußte.
So ist das mit den Überlieferungen! Im Garten ist eine solch‘ alten Überlieferung die, dass der Strauch- & Baumschnitt im Winter zu erfolgen hat. Ein historischer Irrtum, der sich daraus erklärt, dass im Sommer für diese Arbeiten früher einfach keine Zeit war. Biologisch gesehen ist der Sommerschnitt viel besser, denn Bäume und Sträucher fahren ihren Stoffwechsel im Winter stark runter und der Pflanzensaft fließt kaum noch. Verletzungen durch die Schnittflächen können so nur sehr, sehr langsam geschlossen werden. Das erhöht die Chance das Bakterien und Pilzsporen in Baum und Strauch eindringen und sich ausbreiten.
Wenn die Winter dann auch noch mild und nass sind, dann klatscht die Pilzgemeinschaft in die Hände. Im Sommer steht das Gehölz in vollem Saft. Es schließt seine Wunden sehr schnell, schottet sich gegen Bakterien und Pilze ab und stülpt von außen her neue Rindenzellen über die entstandene Wunde.
Es mag sein, dass man im Winter, wenn die Blätter gefallen sind, den Aufbau von Strauch und Baum besser sehen kann – aber nur die wenigsten Gärtner sind in der Lage, abschätzen zu können wie die blattlosen Kronen belaubt aussehen. Man neigt daher oft dazu viel zu viele Äste rauszunehmen und sieht dann im Frühsommer zerknirscht, dass man eine schöne Krone grundlos zerfleddert hat. Das kann einem bei einem Sommerschnitt nicht passieren. Man kann hier aus Baum und Strauch behutsam Äste entfernen und gleichzeitig gut beurteilen wie der Gesamtwuchs des Gehölzes ist.
Und wenn Sie das alles noch nicht überzeugt dann habe ich noch ein letztes schlagendes Argument: im Spätsommer kriegt man keine kalten Finger und Zehen. So! Es gilt also: der August ist ein guter Monat für den Sommerschnitt. Versuchen Sie es doch in diesem Jahr einmal! Natürlich finden Sie bei uns die besten und schlauesten Bücher hierzu.
Und die schönsten Scheren – wie zum Beispiel die schöne Kusakichi Astschere, die besten Sägen wie zum Beispiel die legendäre Silky Zübat – die Lieblingssäge aller guten Baumschneider. Aber ach, das wissen Sie bestimmt schon!
Ach so, noch vergessen: keine Regel ohne Ausnahme … für Nadelgehölze gilt weiterhin: Winterschnitt! Das Harz, das bei diesen Gehölzen austritt und die Wunden verschließt ist im Sommer flüssiger und fließt zu schnell ab. Im Winter ist es lahm und zäh und schließt die Schnittwunde besser.